ein zucker, zwei zucker, drei zucker …

ein zucker, zwei zucker, drei zucker …


“ich geh’ jetzt die theres fragen!” c. stapft quer durch den bus. wir sind zu zwanzigst, wir sind unsere bürogemeinschaft, und wir sind auf “betriebsausflug”.

“warum wird naturjogurt zucker zugesetzt?”
“naturjogurt wird kein zucker zugesetzt. das höre ich zum ersten mal.”
“das habe ich auch gesagt! aber die da vorne behaupten das.”
“wenn dem so wäre, müsste es auf der verpackung stehen.”
“das habe ich auch gesagt! und die da vorne behaupten, es steht auch drauf.”
“wie gesagt, ich höre das zum ersten mal und ich kann’s mir nicht vorstellen, aber ich werde mir das anschauen.”

wir steigen aus. ich gehe zu p., einem von “denen da vorne” und bitte ihn, mir zu erläutern, wo denn das stünde, dass dem naturjogurt zucker zugesetzt sei. er hält mir das display seines smartphones hin. darauf zu lesen ist das, was auch auf obigem foto zu sehen ist. mir wird einiges klar. und ich fange an zu dozieren. mittlerweile stehen wir am u-bahn-bahnsteig. ein entfernter beobachter, der mich sehr gut kennt, wird nachher zu mir sagen: “gell, ihr habt über was ernährungswissenschaftliches geredet.” warum er das wisse? “weil du plötzlich von allen umringt warst.”

der “zucker”, der auf der verpackung – genauer: in den nährwertangaben – aufscheint, kläre ich auf, ist milchzucker, kein haushaltszucker, vulgo “zucker”. denn milchzucker ist zweifachzucker, wie auch haushaltszucker, und alle zweifach- und einfachzucker (traubenzucker, fruchtzucker und andere) sind in den nährwertangaben als das zusammengefasst, was sie chemisch sind: zucker (= plural). der milchzucker ist aber nicht zugesetzt, sondern natürlicherweise in milch und milchprodukten drin. also ist dem naturjogurt kein zucker zugesetzt! meine welt ist wieder in ordnung.

nicht so jene meiner mitdiskutantInnen. wie sollte man denn jetzt bitte erkennen, dass zucker zugesetzt wäre, wenn tatsächlich welcher zugesetzt wäre. “dann stünde ‘zucker’ in irgendeiner form in der zutatenliste.” schon während ich das sage, weiß ich, was jetzt kommen wird. “aha, ‘zucker’ in der nährwerttabelle heißt haushaltszucker, milchzucker, traubenzucker etc., aber ‘zucker’ in der zutatenliste heißt zucker. und wie soll sich da wer auskennen?!” berechtigter einwand. zumal ich hier mit menschen diskutiere, die sich sehr für die thematik interessieren und beträchtliches vorwissen haben. “halbwissen” fällt im lauf der weiteren diskussion, “wir mit unserem halbwissen können die informationen oft nicht richtig einordnen.” wir sind mittlerweile bei honig versus “raffiniertem” zucker. ich muss an michael pollan denken, den us-amerikanischen journalisten und autor, der unter anderem 64 grundregeln essen und lebensmittel geschrieben hat und die ernährungswissenschaft massiv kritisiert als eine wissenschaft, die sich zum (selbst-) zweck erfunden hat, die an und für sich watscheneinfache angelegenheit essen zu akademisieren und so konsumentInnen und produzentInnen von ihrer expertise abhängig zu machen. ich habe mich ja schon einmal dazu bekannt, ihm grundsätzlich recht zu geben. jetzt kommt da aber eine weitere facette dazu: die dinge sind, wie sie sind, und nicht, wie michael pollan und ich sie gerne hätten. ernährungsinteressierte esserInnen haben nun einmal bereits (halb-) wissen angehäuft und stehen jetzt vor der schwierigkeit, es richtig einzuordnen. die kann ich nicht (mehr) abspeisen mit “denkt doch nicht darüber nach, sondern esst einfach aus dem bauch heraus, ohne drüber nachzudenken, dann habt ihr gute chancen, dass es gesund ist!”

da habe ich also an einem herrlichen herbsttag in rein privater mission berufliche bestätigung bekommen. meine expertise ist ganz und gar nicht obsolet, obwohl eine gute ernährung an und für sich eine ganz einfache angelegenheit ist, für die es keine expertInnen bräuchte. “deshalb ist es so wichtig, dass wir dich haben!” schloss c. die diskussion. und ich freute mich.

[bildnachweis: teil-screenshot der ja!-natürlich-website.]