fleisch und gesundheit. oder: schon wieder zu kurz gedacht!

fleisch und gesundheit. oder: schon wieder zu kurz gedacht!


eine neue studie wurde an mich herangetragen. was sie für einen beitrag zur fleischdiskussion liefern könne, bat man mich, zu beurteilen. habe ich gerne gemacht. nur, jetzt habe ich so viel adrenalin in mir, dass ich es mir noch runterschreiben muss:

es handelt sich nicht nur um eine studie, die im november 2019 in den annals of internal medicine, einem doch recht renommierten fachmagazin, publiziert wurde. sondern auch gleich um neue empfehlungen für den fleischkonsum. verfasst und ausgesprochen vom Nutritional Recommendations (NutriRECS) Consortium. rezipiert in zahlreichen medien. (zur verteidigung der forscherInnen: so explizit, wie es einige medien dargestellt haben, haben sie es – wie so oft – nicht formuliert!) sinngemäß: leute, esst weiterhin so viel rotes und verarbeitetes fleisch wie bisher, es wird euch nicht schaden!

was haben die wissenschaftlerInnen gemacht? sie haben sich eine vielzahl an studien zum konsum von rotem und verarbeitetem fleisch und dessen gesundheitliche auswirkungen angeschaut. soweit ich das beurteilen kann, eine gut gemachte arbeit. herausgefunden haben sie, dass die evidenz, also die beweislage, für den zusammenhang zwischen konsum und negativen auswirkungen schwach ist. (oh wunder! das ist er, wie bereits vielfach beklagt, nicht nur von mir, sondern auch von ganz großen koryphäen wie professor ioannidis, eh bei fast jeder ernährungsfrage!) und dass, weniger fleisch zu essen, nur mit geringen gesundheitlichen benefits einhergeht.

aus diesen ergebnissen leiten sie ihre empfehlungen ab. die da lauten: “we suggest that individuals continue their current consumption of both unprocessed red meat and processed meat” und fügen in klammer dazu: “both weak recommendations, low-certainty evidence”. und das heißt so viel wie: leute, esst weiterhin so viel rotes und verarbeitetes fleisch wie bisher, aber diese empfehlung ist eine schwache, denn die evidenz dafür ist schlecht.

es ist jetzt also scheinbar so: die evidenz, dass ein hoher fleischkonsum gesundheitlich bedenklich ist, ist schlecht. die evidenz, dass er unbedenklich ist, ist genauso schlecht. da steh ich nun, ich armer tor, …

bis hierher finde ich das alles mäßig spannend, denn es überrascht mich überhaupt nicht. was aber unter “other considerations” kommt, bringt mein blut in wallung: “The panel […] decided that issues of animal welfare and potential environmental impact were outside the scope of this guideline.”

es ist halt wie (fast) immer in der ernährungsforschung: man schaut sich an, wie (un)gesund xy ist, findet heraus, dass man es nicht genau sagen kann, weil die beweislage so schlecht ist. dann ringt man sich zu einer halbseidenen empfehlung durch, mit der man die leute wahlweise traktiert oder amnestiert. die wirklich wichtigen fragen aber, die bleiben unangetastet, weil sie “outside the scope” sind.

es ist aber eben nicht “outside the scope”, wie viel fleisch wir essen! der menschliche fleischkonsum ist nichts weniger als das größte problem der welternährung! deshalb ist es unverantwortlich, in nordamerika, der fleischvielfraß-gegend schlechthin, die empfehlung auszusprechen, nichts am fleischkonsum zu ändern, und sich mit einem lapidaren “outside the scope” aus der verantwortung zu stehlen!

einfache lösungen für komplexe probleme hat es noch nie gegeben! der fleischkonsum ist ein hochkomplexes problem. und “animal welfare and potential environmental impact” müssen selbstverständlich mitgedacht werden!

freundInnen differenzierter problembetrachtung und vor allem lösungsansätze empfehle ich eat-lancet! und jetzt gehe ich meinen kichererbsensalat voller nachhaltigem eiweiß essen!

[bildnachweis: screenshot der website der annals of internal medicine]

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